Donnerstag, 20. April 2017

Kapitel 141 - also ganz so düster sehe ich das nicht

Dies ist ein Diät-Post. Passend zum Frühling aber keiner der üblichen Sorte. Ich erlaube mir nämlich, ein paar Worte zu Martina Behms Anti-Diät-Aufruf zu verlieren.

Mit entschiedener Verve vorgetragen und amüsant zu lesen kann ich den Aufruf durchaus nachvollziehen, aber ich muss ihn nicht in voller Gänze teilen.

Also, ich teile natürlich die Grundannahme, dass man nur mit Garn stricken soll, das man auch mag, denn so lang ist das Leben tatsächlich nicht, dass man all die ererbte Kratze-Wolle und die womöglich selbst fehlgekaufte Wolle auch noch in Ruhe verstricken kann, aber: manchmal ist ein bisschen Beschränkung gar nicht so von Übel.

Ich bin jetzt kein Verfechter von grausligen Vielfarbprojekten, nur damit jeder Rest aufgebraucht wird, aber so ein bisschen Inspiration steckt doch in all diesen Ravelry-Gruppen, in denen es um den Wollrest geht (siehe auch RestEnd). Ich werde das Gefühl nicht los, dass es hier um die ehrenwerte Tatsache geht, eben nicht einfach etwas, was noch funktioniert, einfach zu entsorgen. Genau aus diesem Grund empfand ich ja die leidige Abwrackprämie als Hohn. Das waren zum Gutteil funktionierende Karren, die da verschrottet wurde. Da ist es nebenbei bemerkt, ja sehr amüsant, dass der Wikipedia-Artikel-Verfasser hier von einer Umweltprämie spricht. 

Einen Tag in der Woche die Reste der Küche zu verbrauchen halte ich für sinnvoller als jeden Tag übriges Essen wegzuwerfen. Das hilft ja doch den Ressourcen und sorgt dafür, dass insgesamt nicht so viel konsumiert werden muss.

So ähnlich ist es auch mit schöner Wolle. Feng Shui hin oder her, wenn die Wolle als großes Knäuel schön war, dann ist sie es auch als kleines Knäuel und man kann daraus noch etwas Hübsches zaubern, sei es eine Decke oder ein Babyschuh. Da macht man doch nix verkehrt und außerdem ist es ein schönes Gefühl. Alles verbraucht, nix weggeschmissen. Ressourcen mal wieder.

Beschränkung kann nämlich auch zu Kreativität führen. Wenn ich den genau richtigen Farbton nicht zu Hand habe, dann nehme ich eben einen anderen und komme damit auch zum Ziel, daran ist meiner Ansicht nach nichts auszusetzen. Manchmal ist es am Ende sogar hübscher mit dem anderen Farbton. Alles schon da gewesen.

Am wichtigsten ist aber mein Hinweis auf Projekte wie dasjenige der YarnHarlot, das ohne Wolldiät gar nicht funktionieren würde. Kaufe die Wolle (diesmal) nicht, suche dir stattdessen eine aus deinem Vorrat und spende stattdessen den zu erwartenden Betrag an die Guten wie sie es nennt: Ärzte ohne Grenzen. Cooles Projekt mit Rieseneffekt. Das würde gar nicht funktionieren ohne ein wenig Woll-Diät ab und zu.

Und dann ist da noch die Freude am Warten. Anders als eine Diät, bei der es ums Essen geht, die überhaupt sehr viel sinnvoller auf Englisch mit diet bezeichnet wird, was immer auch die gesamte Ernährung betrifft und bei der ich voll und ganz mit dem Post übereinstimme (frische Lebensmittel mit Freude gegessen), denke ich doch, dass es sich bei einer Wolldiät um etwas anderes handelt.

Wenn ich immer gleich alles kaufe, was ich sehe, dann kann ich mich gar nicht auf etwas hinfreuen. Oder gar auf etwas hinsparen. Da war mir Tichiros Post sehr lieb, in dem sie erzählt hat, dass sie immer dann, wenn etwas Geld übrig ist, dieses in Wolle investiert wird - in ihrem Fall natürlich in Yak von Lang Yarns.

Nun hat ja ein Normalsterblicher nicht immer gleich Geld übrig, daher ist es doch ganz schön, wenn man auf etwas hinspart. So sind schließlich auch die Modelleisenbahnliebhaber groß geworden. Wo wäre denn hier der Spaß, wenn sich jeder kleine Fan sofort ein Krokodil leisten könnte? Stattdessen hat man all sein Geburtstags- und Weihnachtsgeld mühsam gesammelt um sich dann endlich den langgehegten Wunsch erfüllen zu können. Es ist ja schließlich das eigene Hobby.

Na, und das ist doch der Hauptunterschied zum Essen oder nicht? Stricken ist unser Hobby. Und natürlich deshalb auch lebenswichtig für die geistige Gesundheit usw., aber in diesem Hobby ist es doch auch schön, sich mal was zu leisten, was man sich eben nicht jeden Tag leistet. Etwas Besonderes. Und zwar einfach, weil man zuvor eine Weile lang nicht alles gekauft hat, was man wollte.

Dann kann man auch das teure Souvenirgarn mitzunehmen, obwohl man es nicht unbedingt sofort braucht, einfach weil man sich eben in einem wohlverdienten Urlaub sprich in dem besonderen Strickladen, in den man sonst nicht kommt, befindet. Oder man kann sich eben selbst zu Weihnachten das teure Supergarn leisten, das sonst vielleicht nicht im Budget ist. Das ist doch dann eine besondere Freude, auf die man verzichten muss, wenn man sich einfach alles immer gleich kauft.

Es gibt nicht umsonst in der bayerischen Identität die so genannte Schmugeldkasse, in der jeder heimlich das Geld aufbewahrt, das er sich vom Budget/Gehalt etc. irgendwie abknapsen kann. Meine Schwiegermutter erarbeitet sich hier aus dem Haushaltsgeld im wahrsten Sinne des Wortes das Geld für das von ihr so geliebte Gmundener Porzellan. Kann man jetzt als altmodisch bezeichnen, funktioniert aber bestens und die Freude am Porzellan ist umso größer.

Ich sehe alles ein, die notwendige Inspiration und die Sockenwolle, die man einfach braucht. Aber die Vorfreude und das Gefühl aus gutem Grund mal so richtig Geld auszugeben - dies zwar sehr selten, aber immerhin doch ab und zu - darauf möchte ich nicht verzichten. Da lohnt sich doch eine Wolldiät, oder?


1 Kommentar:

  1. Da kann ich nur unterschreiben ;-) Ausserdem wollen die ganzen Stränge die man sich gekauft hat, ja nicht in einer Kiste versteckt ihr Dasein fristen, sondern verstrickt bewundert werden!

    Ja zum Wollkauf - aber zum Wohlüberlegten.

    Wir haben eine Spardose, in die die 5-Franken wandern - und nach einer Weile kann sich die gesamte Familie davon einen Ausflug gönnen.

    LG
    Connie

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